Willkommen, dennoch!

Seit einigen Wochen registriere ich nun schon Flüchtlinge, Asylbewerber oder wie sie aktuell politisch korrekt heißen. Ich habe selten so viel Elend miterlebt, wie bei den mittlerweile ca. 200 von mir registrierten Menschen. Säuglinge ohne Socken und Schuhe, mit erhöhter Temperatur. Vor Erschöpfung einschlafende Familien und Folteropfer. Viele von ihnen durchquerten über 10 Länder in zahllosen Tagen und mussten Gewalt, Schlafentzug und Unterernährung dulden. Einige schämten sich für ihre Kopfläuse und schmutzige Kleidung. Dennoch zeigten sich alle überaus froh und glücklich in Deutschland angekommen zu sein. Dabei haben mich einige Menschen besonders berührt.

Die Mutter eines kurdischen Jungen wurde vom IS verschleppt und trotzdem beschäftigt er seine Geschwister, übersetzt alle Gespräche für seinen Vater und blieb dabei höflich, freundlich und besonnen. Am Ende der Registrierung umarmte er einen Mitarbeiter und gab ihm Küsse auf die Wange und zeigte so seine Dankbarkeit. Mein Mitarbeiter hat den restlichen Tag nur noch gelächelt.

Ein weiterer Mitarbeiter bringt stets gespendete Stofftiere mit und unterhält die Kinder mit Luftballons, Süßigkeiten und Spielzeugen, so liebevoll und fürsorglich, dass die Kinder stets rumalbern und lachen. Es beruhigt sie, nimmt ihnen die Angst und füllt unsere Container-Wand mit Ausmalbildern und gemalten Flaggen aller Art, auch deutschen. Die leuchtenden Augen der Knirpse werde ich nicht vergessen. Dieser Mitarbeiter macht die Arbeit noch lohnenswerter. Egal ob Kurde, Syrer, Iraker, Afghane, egal ob Sunnit, Schiit oder Jeside, sie lachen alle gleich.

Syrische Drillinge im Teenager-Alter erzählten uns, dass sie allesamt Zahnarzt werden möchten. Medizin zu studieren sei Brauch in ihrer Familie. Sie waren unglaublich freundlich, offen und witzig. Freudentränen zeigten sich, als ich ihre Mutter in der Datenbank fand und ihnen ein Bild zeigte. Sie war bereits in Deutschland und ließ die Kinder mit ihrem Onkel nachkommen. Das war sehr bewegend.

Es sind nicht immer Familien, die anreisen. Viele schicken ihre Männer, Söhne oder Cousins vor, weil sie die besten Chancen haben diese Tortur, den Gewaltmarsch und all die Begleiterscheinungen zu überstehen, um vielleicht eines Tages ihre Familien nachholen zu können. Und natürlich gibt es unter ihnen auch weniger angenehme Menschen, aber die gibt es in der Kneipe um die Ecke auch. Menschen die lügen, sich einen Vorteil verschaffen und uns Versprechen abringen wollen. Trotzdem teilen wir sie nicht in Kategorien ein. In erster Linie sind es schutzbedürftige Menschen.

Jeden Tag verliere ich ein Stück meines Herzens an mir völlig Fremde, wenn diese unseren Container verlassen. In unserem Mikrokosmos beginnt die viel beschriene Integration, weil wir uns bemühen, sie herzlich empfangen und versuchen ihnen zu helfen. Sie fühlen sich wohl und loben unser Land. Nebenbei bemerkt ist unsere Tätigkeit auch unglaublich erfüllend. Aber auf eines können wir sie nicht vorbereiten, Neider, Rechtsextreme, Vorurteile.

Menschen in unserem Land fordern die stringente Einhaltung von Werten, die sie selber nicht schätzen, kennen oder gar verstehen. Sie spenden 5 € an UNICEF, um ihr Gewissen zu beruhigen und basteln Broschüren mit Benimmregeln. Sie wollen vor ihrer Haustür eine heile, homogene Welt ohne Elend, indem sie die Probleme, für die sie teilweise selbst verantwortlich sind, einfach aussperren. Einige sind sogar bereit ihren Mitmenschen Gewalt zuzufügen oder ihnen das Leben zu nehmen, weil sie Angst um ihre Dekadenz haben oder davor weniger soziale Zuwendungen zu erhalten, da sie es mit mehr Menschen teilen müssten. Wir reden von einem der wirtschaftlich stärksten Länder der Welt. Und dieses Land wird auf Immigranten früher oder später angewiesen sein. Manchen Deutschen ist das Schicksal von exotischen Tieren in Zentralasien wichtiger als ein ertrunkenes Flüchtlingskind.

Mitunter deswegen fühle mich des Öfteren fremder unter vermeintlich Integrierten als unter Fremden. Kein CSU-Wähler würde es wagen einem kleinen Jungen zu sagen, dass die Obergrenze erreicht wäre und er zurückgehen müsse. Kein besorgter Bürger würde es wagen eine Familie, unter Anwendung von Schusswaffen, an der Überquerung unserer Grenzen zu hindern, wie es von der AfD gefordert wird. Sollte ich mich jedoch irren, sehe ich mich gezwungen selbst zu fliehen, in ein besseres Land mit einem in der Verfassung verankertem Recht auf politisches Asyl. Ich will nicht miterleben wie sich mein Heimatland zurück entwickelt in eine düstere Vergangenheit.

Ich weiß, dass es mittlerweile viele dieser Artikel gibt, aber es ist existieren leider auch Konter-Artikel, die von ahnungslosen Menschen unreflektiert verbreitet werden. Daher finde ich es wichtig, dass Menschen ihre Erfahrungen im Umgang mit Flüchtlingen teilen und viele Menschen ihre Haltung überdenken.

Ein deutscher Pass ist keine Erlaubnis ein Arschloch zu sein!